Warum Ayurveda kein Spaziergang ist und doch genau mein Weg. Wer hätte gedacht, dass es mir gefallen könnte, in einer Frauenknast Montur 11 Tage mit ungewaschenen, schlimmer noch: ölgetränkten Haaren herum zu laufen... Wer hätte gedacht, dass zum Sonnenaufgang glücklich das Bett verlasse und genüsslich lauwarme Kichererbsen mit Zwiebeln und Kokosraspeln an Chilli zum Frühstück verspeise? Wer hätte gedacht, dass ich auf Cappuccino und Croissant verzichten kann? Nach Sri Lanka bin ich gereist, weil eine sehr gute Freundin von mir neuerdings als Ayurveda Managerin im Mangrove Escapes arbeitet. Ayurveda mit Frau Hansen muss mich nicht zweimal fragen, ob ich Yoga für die Hotelgäste unterrichten möchte und eine Kur machen will... Sonne im Winter? Bewegung und leckeres Essen? Klar will ich das! Aber eine Ayurveda Kur, für mich? Bisher dachte ich, mein Lebensstil sei relativ gesund. Schließlich bin ich schon 20 Jahre Vegetarier... Naja, eher immer mal wieder... und mit Unterbrechungen... und... abgesehen von Fisch und Meeresfrüchten und... gesund? Nun, abgesehen von Kaffee und Pommes und Wein und... Ach, eine Kur kann nicht schaden und so schwierig kann das ja auch nicht sein. Ayurveda klingt so schön melodisch, so nach Wellness und so....PUSTEKUCHEN. Gleich am ersten Tag quält mich ein stechender Kopfschmerz. Der Ayurveda-Arzt sieht aus wie ein Bollywood Filmstar und kann mir während der Untersuchung eigentlich alles erzählen. Hauptsache, ich kann in seine kaffeebraunen Augen schauen und der süßen nach Honig klingenden Stimme zu hören. Dr. Honey hat eine einfache Erklärung für meine Leiden: „The Coffee, madam. Drink the Water!“ Koffeinentzug? Aha, aber ansonsten bin ich gesund, oder? Dr. Honey zieht mein unteres Augelid runter und schüttelt den Kopf. „Hemoglobin, Madam...“ Moment, woher her weiß Bombay Boy, dass mein Eisenwert im Keller ist? Außerdem sei ich ein Vata-Typ. Geringes Gewicht, gelenkig, lebhaft, reiselustig. Naja, und mit Neigung zur Unruhe, Fahrigkeit und Unentschlossenheit. Ich solle zur Ruhe kommen und mir täglich 20 Minuten Zeit nur für mich nehmen. In der Ayurveda Lehre werden Menschen anhand von drei Doshas unterschieden, den Typen Vata, Pitta und Kapha. Ein Ungleichgewicht der persönlichen Konstitution wird während der Ayurveda Kur mit Ernährung, Kräutermedizin und Anwendungen behandelt. Mein Koffeinentzug fühlt sich an, als hätte mich ein LKW überfahren So sind die Thermoskanne mit heißem Wasser und der Brummschädel mein ständiger Begleiter. Letzterer verlässt mich leider erst nach fünf Tagen. Apropos Begleiter. Das Hotel hat nur 11 Zimmer, die Atmosphäre unter den „Kur-Kameraden“ ist sehr familiär. Du statt Sie. Das, was ich im Spiegel sehe, würde ich auch niemals siezen? Mein Tagesablauf ist immer gleich: Um 6:45 Uhr unterrichte ich Yoga, danach schlüpfe ich in Bademantel und Hut, beides lege ich erst abends wieder ab., da man eh nur zwischen Restaurant und Treatment-Center für Massagen hin und her pendelt. Um 12:30 Uhr gibt´s Mittagessen, um 17 Uhr leite ich eine Meditation, um 18:30Uhr Abendessen und kein Scherz: um 21Uhr bin ich bettfertig. Die Mahlzeiten sind ein absolutes Highlight. Statt üblicher Buffetschlachten servieren hier schüchterne Kellner die 3-Gänge-Menüs liebevoll am Tisch. Einziges Manko: die Kräutermedizin, ekelhaftes Zeug. Cleaning Day Nur an einem Tag, da müssen alle hungern und... abführen. Bäh, Cleaning Day ist kein guter Tag, lassen wir das. Lieber schreibe ich über die tollen Anwendungen. Täglich erhalten die Gäste bis zu fünf verschiedene Behandlungen. Z.B. einen Stirnguss. Wow! Zugegeben gewöhnungsbedürftig, das schon – aber unfassbar entspannend. Stirnguss Zwanzig Minuten lang rinnt warmes Öl in sanften horizontalen Bahnen über die Stirn. Ich versuche blind den Weg der Flüssigkeit zu verfolgen: Erst rechts, dann links, dann wieder rechts, dann links und am Ende landet das Öl auf meinem Kopf. Oh nein, 24 Stunden soll das Öl einwirken? Zu blöd, dass ich an gleich vier aufeinander folgenden Tagen Shioddhara erhalte, so heißt der Stirnguss. Der Hut bleibt drauf, Haarewaschen fällt aus. Aber auch der Körper wird bei den täglichen Fuß-, Nacken/Schulter-, Gesichts- oder Ganzkörpermassagen immer wieder großzügig eingeölt. Einige Behandlungen genieße ich mehr, andere weniger. Beim Bodypack frage ich mich die ganze Zeit, warum mich diese zarte Masseurin so brutal mit warmen Kräuterkissen verprügeln muss? Viele Fragen bleiben unbeantwortet und doch ist das Ergebnis überzeugend: Mein Geist wird ausgeschaltet, der Körper entspannt. Warum ich dafür nach Sri Lanka reisen muss? Warum so weit weg, wenn ich eh keine Ausflüge zu Elefanten und Tempel unternehme? Nun, das habe ich mich zwischendurch auch gefragt und entschieden: Die Menschen, das Land und das Klima sind einfach unschlagbar. Ein Cleaning Day unter Palmen ist definitiv ertragbarer als in Deutschland.
Und so bin ich ganz nüchtern und gereinigt mit alten und neuen Freunden in 2017 gerutscht. Ob ich wieder Kaffee trinken werde? Ups – das trifft es wohl ins Schwarze... Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Ayurveda Kur mich verändert hat. Auch wenn ich nicht alle Ernährungs- und Lebens-Tipps von Dr. Honey auf immer und ewig beherzigen kann, so will ich es hin und wieder mal wieder probieren! Ein Flexitarier, der täglich 20 Minuten vor sich hin träumt und dabei bestimmt im Mangrove Escapes in Gedanken massiert wird. ...Merci Miss Sabin für diese wegweisende Erfahrung!
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Vanessaarbeitet als TV Journalistin und Yogalehrerin. Ehrenamtlich engagiert Vanessa sich für das Heimatland ihrer Mutter als Botschafterin von Haiti Care e.V. Archiv
September 2024
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